Synthese von Cocculus
Olaf Posdzech
Stoff: Cocculus
vorläufige Version: Juni 2005*1
Essenz
- sich ausbluten für eine sinnlose Aufgabe und dabei von sich
selbst innerlich leer sein, eine nötige Staffage/Attrappe sein
– man dient einem Ritual und damit der Kultur-Erhaltung (was
einen Sinn darstellt, aber keinen Sinn hat für einen
selbst)1
- schwerelos, ohne Gewicht, ohne Ich, nichts Eigenes tragen, dadurch
belastungsfähig sein für die kulturerhaltende Funktion
- die Krankheit entsteht möglicherweise an der Weigerung, der
Sinnlosigkeit der eigenen Hilfshandlungen ins Auge zu schauen und zu
akzeptieren, dass sie trotzdem nötig sind
Geist
- berauscht, so dass man gar nichts selbst tun oder an sich arbeiten
könne3
- er fühlte sich benommen, wie nicht da, als ob er verwunschen
sei3
- er fühlte sich blöd und benebelt (da bei sah er aus
wie eine ernste alte Barium-Statue)3
- alles kam ihr vor wie nicht wirklich2
- irritiert und ratlos, als sei sie im falschen
Film2
- alles sei beliebig, belanglos, substanzlos und
absurd2
- es ist eine sinnlose Zeit (in meinem Leben)3
Emotionen
- er war nicht fühlend anwesend1
- alles kam ihr vor wie nicht wirklich2
- unruhig2
- Versagensgefühl, weil es ihr nicht gelang, aus einer lieblosen
Situation etwas Liebevolles zu machen (in ihren
Nachtwachen)2
- Gefühl von „Es ist sinnlos, leer, nicht zu fassen“
– aber innerlich ist kein Widerstand dagegen
spürbar2
- als sei ihre Tätigkeit ganz beliebig und hätte gar nichts
mit ihr zu tun2
- Gefühl, sie habe etwas Sinnloses gemacht und auch etwas
Sinnloses erwartet von sich in ihren
Nachtwachen.2
- freundlich und nicht beteiligt (weil sein Ich nicht in ihm anwesend
war)1
- Widerstand gegen das Gefühl der
Sinnlosigkeit2
- Ich will kein artiges Kind sein!2
- sie fühlte sich passiv, obwohl sie körperlich tätig
war2
- als sei sie wie gefangen im Mechnismus und käme daraus
nicht mehr heraus2
Körper
- leichter Kopfschmerz, doch sobald sie ihn genauer zu fassen
versuchte, war er weg2
- leichter Stirn-Kopfschmerz1
- Jucken in den Ohren2
- Geruch verursacht Übelkeit und
Schwanken2
- harte verspannte Schultern2
- wohliges Kribbeln in Ellenbogen, Unterarm und Händen, als
seien sie ganz entspannt1
- sie fror sehr stark, fast wie in einer Erstarrung, ihre Hände
waren fast gelb2
- er sah aus wie eine ernste alte Barium-Statue und fühlte sich
dabei blöd und benebelt3
Themen
- masselos, ohne eigenes Gewicht, ohne Ich
-
- sie sah Menschen, die wie schwerelos im Raum hin und her
purzelten2
- … Was sie redeten, hatte keine Substanz, sondern sie
erfüllten (als Fassade) eine Ablenkungsfunktion für das
Ganze2
- als sei sein Leib ohne eigenes Gewicht und zugleich unglaublich
zäh; als sei der eigene Körper ohne Masse, so dass er keine
Kraft für sich selbst brauche und alles dem anderen geben
könne (um den er sich kümmert)1
- eine Wolke surrte wie ein kleiner Spuk durch den
Realitätsfilm, aber er hatte gar keine Bedeutung für die
Realität.2
- alles sei beliebig, belanglos, substanzlos und
absurd2
- Er hatte das Gefühl, dass Cocculus ein ganz leerer Stoff
sei, der immer nur nach reiner Formähnlichkeit verschrieben
würde, ohne überhaupt ein Wesen zu tragen.3
- innerlich leere Fassade sein für ein kulturerhaltendes
Ritual
-
- Sie sah mittelalterliche Menschen auf einem Marktplatz, die
redeten. Was sie redeten, hatte keine Substanz, war nicht zu fassen,
sondern sie erfüllten eine Ablenkungsfunktion für das
Ganze. Dabei herrschte eine diskrete Stimmung: Wir sollen nicht
hinter die Kulissen schauen, sonst sähen wir den Blick auf die
Attrappen, die aber als Fassade nötig
sind.2
- Bilder: Verhandlungen, jemand die Visitenkarte geben,
„lieber telefonieren und nicht jetzt
verhandeln“2
- Ihre Nachtwachen in einem Krankenhaus kamen ihr vor, wie eine
verlorene Zeit. Es war sogar so absurd, dass die Klingel oft
klingelte, obwohl niemand geklingelt hat (zum Beispiel nur aus
Versehen war jemand dran gekommen). Sie habe ganz viel Zeit hinein
gesteckt und Energie – und nur ein bisschen Geld zum Leben
verdient. Den Kranken habe es wohl auch nicht viel genutzt. Man
könne sich darauf gar nicht wirklich einlassen, sonst
fräße so eine Arbeit einen auf.2
- ‚Deine Krankheit ist, dass du die Sinnlosigkeit nicht
spüren möchtest. Du musst sie aber spüren, denn nur
dadurch entsteht dein Opfer an dem, dem du hilfst. Auch wenn es euch
paradox erscheinen muss: das Opfer entsteht nicht durch den Vollzug,
was du für den anderen tust (indem du etwa an seinem Bett
wachst), sondern es entsteht durch dein Gewahrsein und Fühlen
der Sinnlosigkeit. … Dein Opfer stärkt das Ritual
– und damit etwas, das euch kulturell zusammen hält. Ich
bin ein Kultur-Erhaltungs-Mittel.‘1
- Er dachte an die Wachen vor einem Ehrenmal in Berlin, die
dort während der DDR-Zeit stundenlang strammstehen mussten.
Er habe sich immer gefragt, was das soll. „Unter Cocculus
kann ich das plötzlich akzeptieren. Es ist eben ein sinnloses
Ritual, das aber sinnvoll ist, weil es die Kultur
erhält.“1
- Sie dachte an ihre Nachtwachen im Krankenhaus oder auch an einen
Besuch bei einer Frau, der sie innerlich unzufrieden gemacht hat
– und sie frage sich: Wollte sie aus etwas Sinnlosem etwas
Sinnvolles machen und aus etwas Lieblosem etwas Liebevolles? Sie
merkte, sie sei keine Amelie! (Bezieht sich auf den Film „Das
wundervolle Leben der Amelie“.) Sie spüre, dass sie
eigentlich diese Kraft dazu gar nicht hatte! Sie habe ein
Versagensgefühl bei diesen Nachtwachen gehabt. Sie konnte sie
nicht verwandeln, aus einer lieblosen Situation was Liebevolles
machen. Das gelang ihr nicht.2
- Traum: Sie tröge von einem Bekannten, der wie
unter einem Fluch stehe (er habe viele Drogen-Erfahrungen hinter sich
und sei fertig mit der Welt, zynisch und ausgebrannt) das Neugeborene
durch die Gegend. Das war wie eine sinnlose Handlung.
Sie musste es windeln und so weiter und konnte das gar nicht
schaffen!2
- Ritual
-
- Bilder von Ritualen: bolivianische Heiler, Ureinwohner
tanzen mit Masken … 2
- Bilder: Verhandlungen, jemand die Visitenkarte geben,
„lieber telefonieren und nicht jetzt
verhandeln“2
- sich ausbluten für eine sinnlose Aufgabe
-
- sich ausbluten für eine sinnlose Aufgabe und dabei von sich
selbst innerlich leer geworden sein, eine nötige
Staffage/Attrappe sein – man dient einem Ritual und damit der
Kultur-Erhaltung (was einen Sinn darstellt, aber keinen Sinn hat
für einen selbst)
- durch Unachtsamkeit blieb sein Füllhalter auf einem
Löschpapier liegen, so dass fast alle Tinte heraus gesogen
wurde1
- Assoziation beim Anblick der Cocculus-Samen: ausgetrocknet,
lässt sich nicht unterkriegen (die pergamentartige Schale
widerstand lange der Verreibung, obwohl superleichtes Gewebe war
es widerstandsfähiger noch als
Bambus).1
- Gedanken an Menschen, die in einer Krisen-Situation das Mehrfache
ihre Körpergewichts heben können, zum Beispiel eine Mutter,
die ihr Kind unter einem eingestürzten Haus
hervorholt.1
- Sie sah einen geschliffenen Körper mit vielen Konturen –
und wie ein Stück seiner Rückseite mit vorne sei (was
eigentlich gar nicht ginge)! Gefühl dazu, wie auf der Vorderseite
eine Handlung stattfinde und damit wie automatisch verbunden
gleichzeitig auf der Rückseite etwas verändert würde.
Sie dachte, sie hätten vielleicht für die Gegenseite
verrieben – das war ihre einzige Erklärung (für das
Gefühl der Sinnlosigkeit)..2
- Bild: nach einer langen Zeit des Pöbels und des Mobs werde
eine Aristrokatie in alter Pracht wieder zu neuem Leben erweckt –
in neuem Glanz wie nach einem alten Fluch.3
Als ob
- als habe er sein Ich verloren, es habe sich aus seinem Körper
zurück gezogen und ihn verlassen – und er arbeite freundlich
weiter. Er fühlte sich wie in einer China-Situation aber mit der
inneren Freundlichkeit und dem sich-reinfügen von
Carcinosin.1
- als sei sein Leib ohne eigenes Gewicht und zugleich unglaublich
zäh; als sei der eigene Körper ohne Masse, so dass er keine
Kraft für sich selbst brauche und alles dem anderen geben
könne (um den er sich kümmert)1
- als habe er (mit seinem Dasein) nur eine Form auszufüllen
für etwas außerhalb von ihm1
- als ob er gekrönt sei – ein Stern baue
sich vor seiner Stirn auf und erhebe ihn, so dass er
schließlich schwebe und ein Leitstern sei und zugleich
selbst geleitet wäre.3
- es kam ihr vor, als seien wir gezwungen unter Cocculus etwas
sinnloses zu tun, damit auf der Gegenseite (in einer Gegenwelt) etwas
sinnvolles passiere, von dem wir jedoch nichts erführen und nichts
wüssten2
- als ob die Zeit schneller verginge (so dass die Kraft länger
reiche, da die Anstrengung schneller an einem vorbei
zöge)1
- als sei sie wie gefangen im Mechnismus und käme daraus
nicht mehr heraus2
- als sei alles beliebig, belanglos, substanzlos und
absurd2
Signatur
Cocculus-Samen: ausgetrocknet, lässt sich nicht unterkriegen (die
pergamentartige Schale widerstand lange der Verreibung, obwohl
superleichtes Gewebe war es widerstandsfähiger noch als
Bambus), eine Hülle sein
Quellen
Alle Symptome mit hochgestellten Ziffern1…3 stammen
aus der in [1] dokumentierten Verreibung.
[1] |
Olaf Posdzech; Cocculus – innerlich leere Fassade sein
für ein kulturerhaltendes Ritual, Dokumentation einer
C4-Verreibung; Berlin, 2005
|
*1Dieses AMB versteht sich als Ergänzung zu bereits
bestehenden Symptomsammlungen. Es enthält nur Symptome aus den oben
angegebenen Dokumentationen.