Stoff: | Muttermilch für ein männliches Baby |
Prüfung: | Herbst 1996 |
Verreibung: | blind (der Stoff war nur 2 Personen bekannt) |
Personen: | 8 Personen |
Autor: | Olaf Posdzech |
Datum: | 25.11.1996 |
Status: | Persönlicher Bericht |
Muttermilch für ein männliches Baby zeigte sich uns in
dieser ersten Begegnung als ein Mysterium. Obwohl die Verreibung blind
war, sprachen alle Teilnehmer von sehr esoterischen Themen. Es ging um
Inkarnation, um genährt werden und darum, sich dem Leben zu
stellen indem man sich den Gefühlen stellt.
Darüber hinaus wurde das Getrenntsein zwischen den Menschen und
die Polarität von Mann und Frau von einigen Teilnehmern als sehr
starkes Thema erlebt (Das wiederholte sich, als wir ein Jahr
später die Muttermilch für ein weibliches Baby verreiben
– auch dort in einer Blind-Prüfung).
Lac humanum weist also auch auf die Pole des Männlichen und
Weiblichen und hat in diesem Spannungsfeld in uns eine Aufgabe zu
erledigen. Wie diese Aufgabe aussieht, war uns nach der ersten
Verreibung noch nicht klar. Im Licht der späteren Begegnung mit
der "weiblichen" Muttermilch wird aber verständlich,
warum die Milch für einen Jungen im Mann gerade die
„weibliche" Fähigkeit verstärkt, sich hingeben zu
können.
Eine Urfassung dieses Artikels erschien im Herbst 1996 in einer Zeitschrift der Samuel Hahnemann Schule, Berlin.
Als ich vor der Verreibung aus der S-Bahn ausstieg und mich fragte,
was wir wohl heute für ein Mittel verreiben würden, traten
mir plötzlich Tränen in die Augen. Ich wusste keinen Grund
dafür. Es war keine Trauer sondern eher ein Gefühl der tiefen
Anrührung. So nahm ich an, es würde vielleicht eine
Natrium-Verbindung verrieben werden. (Das Thema Natrium-carbonicum
hatte mich in den letzten Monaten intensiv beschäftigt, ohne es
jedoch genommen zu haben). Deshalb fügte ich mich in den Gedanken,
dass die Verreibung wohl schwer werden würde, bis mir vielleicht
eine Erleichterung in der C4-Stufe begegnen könnte.
Auch die Stimmung im Raum war recht ernst und gefasst, als erwarte uns
eine wichtige Tätigkeit. Kurz bevor wir begannen, erfuhr ich, dass
eine mir nahestehende Freundin große Probleme mit ihren kranken
Eltern hat. Mir ging das sehr nah, weil ich ihre Eltern kannte und sie
noch gesund erlebt hatte. Deshalb erwartete ich, dass mich das
Mitgefühl während der Verreibung als Trauer überrollen
würde.
Sofort in den ersten Minuten der Verreibung überkam mich eine
große Weichheit und ich spürte
Schwäche in meinem Arm. Es war keine schmerzhafte
Erschöpfung, wegen der ich bei Aurum nicht mehr reiben konnte,
sondern es war eine hingebungsvolle Schwäche
– eine Schwäche, die keine Reserve mehr für einen
Widerstand bot, aber die dennoch ausreichte, weiter zu rühren.
Diese Schwäche entwickelte eine sehr erotische Komponente. Mir
war, als würde ich Pistill und Mörser gleichzeitig empfinden,
als würde ich mit ihnen gemeinsam die erotische Sensation des
Hineinreibens und die des hingebungsvollen Empfangens und gerieben
Werdens erleben. Ich war fasziniert, wie das Zusammenspiel der beiden
gegensätzlichen Seiten – weiblich und männlich –
zu diesem erotischen Fluss führte, gerade weil beide Seiten zwei
entgegengesetzte Polaritäten repräsentieren
und sich nicht in einer Synthese auflösen. Ich begann (was mir
noch nie passiert war) in der Bewegung mein Becken mitzubewegen. Es
war, als käme ich in einen Fluss dieser schaukelnden
zueinanderdrängenden Bewegung und könnte daran teilhaben.
Dankbarkeit stieg in mir auf, dass ich in einer Freundin einer so alten
Seele begegnen durfte. Mich erfüllte stilles Glück. Diese
sanfte intime Körperlichkeit in meinem Mörser gab mir das
Gefühl von der Sehnsucht eines geistigen Wesens danach, in
einen Körper inkarnieren zu dürfen, um so etwas
erleben zu können. Ich empfand die Begegnung von Mörser und
Pistill sehr weiblich. "Weiblich und männlich müssen
sich treffen – das ist schön.", dachte ich.
"Dieses Mittel könnte mich süchtig
machen."
Im letzten Drittel der C2 entstand in mir plötzlich Lust, nun den
Pistill in die rechte Hand zu nehmen und in den männlichen Pol
hinüberzuwechseln. Mit einem Schlag änderten sich Perspektive
und mein Empfinden völlig. Ich rieb nun sehr kraftvoll und empfand
Lust daran, aktiv zu sein (und nicht mehr in der Hingabe). Nun
spürte ich nur noch mich und meine Aktion, aber ich bekam nicht
mehr mit, was diese Aktivität bewirkt. Ab jetzt war ich in einem
Pol der Wahrnehmung.
Zum ersten Mal machte mir die C2 Spaß. Bis auf einen
kurzzeitigen stechenden Schmerz im Hinterkopf wie von einer Nadel hatte
ich nichts Unangenehmes gespürt. Mir war, als wäre der Stoff
bereits in der C4 oder käme aus ihr.
"Es geht um die Pole männlich/ weiblich und die Lust daran,
in diesen Polen sein zu können." Das empfand ich ganz
deutlich.
Mit Beginn der C3-Verreibung verflogen sofort die angenehmen
Gefühle und ich wurde ernst und einsam, wollte weinen. Das Reiben
mit der rechten Hand empfand ich als kalt, brutal und gefühllos
und ich fühlte mich nicht mehr wohl dabei. "Sich der C3
(Gedankenebene) verweigern", hörte ich als Satz in meinem
Kopf.
Ich wechselte auf die linke Hand und wieder änderte sich wie mit
einem Schlag die Perspektive. Das Reiben empfand ich als
empfangend, weich und innig. Einige der anderen wurden
zu diesem Zeitpunkt sehr laut, lachten laut oder rieben rabiat und
rhythmisch in ihren Mörsern. Mich stieß dieses rohe
Verhalten sehr ab, da ich mich selbst als immer weicher und
verletzlicher erlebte. "Der machomäßige Krach der
anderen ist unpassend."
Für mich wurde diese Stunde zu meiner aller ersten Lernstunde in
Tantra. Mir war, als würde ich mit Pistill und Schüssel
schlafen. Und es war, als würde ich die Verreibung dabei aus der
Perspektive der Schüssel erleben. Ich spürte, dass es eine
Form von geduldiger, drängend kreisender Bewegung gab, bei der der
Kontakt von Stange und Gefäß zueinander am intensivsten
wurde. Mich durchdrang Scham. Eine solche Form von inniger
Sexualität hatte ich in meinem männlichen Drängen bis
dahin noch nie erlebt oder ermöglicht.
"Es geht nicht um Gedanken bei dem Mittel, wurde mir dann klar.
Es geht darum, in Gefühl und Hingabe zusammenzukommen, und das hat
mit der Gedanken-Ebene nichts zu tun."
In der anschließenden Aussprache wird gesagt, dass meine
Verreibung mit geschlossenen Augen von einer Frau als
sexuell belästigend empfunden
wurde.
Unter den Prüfern gibt es jetzt eine
Polarisierung in zwei Gruppen: die lauten Lacher und
die stillen Empfangenden. Die "Lacher" werfen den Ernsten
ihre Verbissenheit vor, nachdem die ernste Fraktion die Lacher
gemaßregelt hatte, doch bitte bei sich zu bleiben. Ich denke,
dass das blödsinnige Kichern das um-den-heißen-Brei-reden
war und das Fahren-in-den-festgefahrenen-Bahnen, von denen die
"Lacher" gesprochen hatten. Für mich ist klar, dass die
Lacher-Fraktion in der Abwehr ist und sich dem Mittel verweigert.
(Tatsächlich saßen diese Prüferinnen auf der
geographischen Beobachter-Seite und einige von ihnen erzählten in
der anschließenden Diskussion, dass sie nicht oder zu wenig
gestillt worden sind).
Der Vorwurf der sexuellen Belästigung hatte mich tief getroffen, gerade als ich am verletzbarsten und hingegebensten war. Für mich war die erotische Lust von einem Gefühl begleitet gewesen, einer heiligen Handlung hingegeben zu sein. Von jetzt an fühle ich mich nur noch beobachtet. Obwohl ich mit geschlossenen Augen verreibe, habe ich das Gefühl, dass jedes Kichern der "Lach-Fraktion" sich auf meine Ernsthaftigkeit, Leidenssucht und Eiferschaft bezieht. Ich bin bitter, weil ich unter diesen Umständen nichts mehr erleben werde. Da kommen nach einer halben Stunde mitten in der C4 Sätze, die ich aufschreiben muss.
"Solange Du inkarniert bist und nicht im All-einen, wirst du immer verletzt werden. Verletzung endet erst, wenn alles andere ein Teil von Dir ist, was in der Inkarnation nicht möglich ist. Nur so kann Gott die Konsequenzen seiner Teile erleben."
Das Anderssein der anderen muss ich also ertragen. Die Wahrheit liegt außerhalb unser beiden Perspektiven und in ihnen.
Diese Sätze klingen möglicherweise banal. Es waren
Gedanken, die schon in den letzten Monaten in mir im Entstehen waren,
seit ich Witold Ehrlers Muttermilch-Text begegnet war. Obwohl schon
vorher gehört, hatten diese Wahrheiten in diesem Moment eine
andere Qualität. Jetzt erlebte ich, was hier gesagt wurde.
Ich spürte meinen Ernst und meine Verletzung durch das Lachen der
anderen und wusste. "Ja, das Leben ist ernst und schwer zu
ertragen." Und ich hatte das Gefühl, dass meine Perspektive
wahr ist. Und gleichzeitig hörte ich dieses fremde Lachen und
merkte: auch das ist wahr. Das Leben ist leicht und das Leben ist zum
Lachen. Und beides stimmte. Und die wirkliche Wahrheit, dass
nämlich beides wahr ist, kann keiner von uns beiden allein
wahrnehmen. Sie liegt außerhalb von uns und braucht doch beide
Pole.
Seit der C3 war ich mir relativ sicher, dass wir entweder Muttermilch
(weiblich) verreiben oder ein anderes Mittel, dass mit Weiblichkeit
oder Polarität zu tun hat (Pulsatilla, Sepia). Im Anschluss war
ich dann sehr verblüfft, dass es sich um männliche
Muttermilch gehandelt hatte. Zu dem Zeitpunkt konnte ich keine
Erklärung dafür finden, warum mir in der Verreibung eine sehr
weibliche Perspektive begegnete.
Unsere Begegnung mit der Muttermilch erlebte ich als ein Mysterium.
Hier waren sich fremde Menschen zusammengekommen (unter anderem 3
Gäste einer anderen Schule, nur 4 Stammgäste). Und trotzdem
sprach in der C4-Stufe jeder von Gott, als es völlig normal, nach
drei Stunden darüber mit Fremden zu sprechen.
Außerdem ging es um das Spüren von Polarität und
Wahrheit, um Weibliches und Männliches, um Einsamkeit und
Verschmelzung, um Erlösung und Wiedergeburt. Die Abwesenheit von
Ratio ("spaciges Gefühl"), das Lachen und die immer
wieder auftauchende Thematik Sucht und genährt werden wollen, hat
einige von uns an Cannabis denken lassen.
In dieser Verreibung durften wir von Anfang an ein sehr geschlossenes
Bild von Gefühlen und Gedanken erleben. Die Überraschung, in
den Gesprächsrunden von anderen genau die Themen genannt zu
bekommen, mit denen man selbst in dieser Zeit beschäftigt war,
kann mit Worten eher nur entheiligt werden.
Sehr berührt ging ich nach Hause. Am Abend leckte ich meinen
Pistill ab in der Hoffnung auf gute Träume. Nach nur 6 Stunden
wachte ich energiegeladen auf, obwohl ich vorgehabt hatte, am Sonntag
endlich einmal auszuschlafen. Bis zum Nachmittag war ich voller
Tatendrang und Entschlusskraft und weniger ängstlich als sonst.
Meine Lust nach Süßigkeiten war in eine Abneigung gegen
Süßes umgeschlagen. Diese Energie steigerte sich über
eine Woche immer mehr, so dass ich jede nacht weniger schlief und zum
Schluss nach nur 4 Stunden Schlaf erholt aufwachte. Dann ebbte die
Wirkung allmählich ab.
Olaf Posdzech
25.11.1996
Obwohl ich die Muttermilch anschließend in größerem Abstand immer mal wieder in der C30 nahm, spürte ich eine solch deutliche Veränderung wie in den ersten Wochen nicht mehr. Allerdings zeigt ein Rückblick nach 2 Jahren, dass sich die Felder in meinem Leben deutlich weiterentwickelt haben, auf denen nach Witold Ehrler die Muttermilch nährend wirken soll. Dies betrifft (gemeinsam mit anderen Mitteln, die ich genommen habe) vor allem meinen Umgang mit Gefühlen und meine intuitiven Fähigkeiten, die sich langsam herausbilden. Gegen die Lust auf Süßes half übrigens später auf lange Zeit Sepia.
1998 verrieb ich (ebenfalls blind) die Milch für ein weibliches
Baby. Diese Verreibung sollte mein eigenes Männer- und Frauen-Bild
völlig verändern. Erst danach begann ich, nun auch die
männliche Milch besser zu verstehen.
Nun wurde klar, dass die Polarität von Mann und Frau
tatsächlich das zentrale Wirkungsthema dieser Muttermilch ist.
(Das sei an dieser Stelle betont, denn das Mittel "lac
maternum" von Tinus Smits wird auf eine andere Art zubereitet
– es besteht aus der Milch von mehreren Müttern.) Lac
humanum weist auf die Pole des Männlichen und Weiblichen und hat
in diesem Spannungsfeld in uns eine Aufgabe zu erledigen. Im Licht der
späteren Begegnung mit der "weiblichen" Muttermilch
wurde verständlich, warum die Milch für einen Jungen in der
Lage ist, in ihm gerade die Fähigkeiten zu verstärken, die er
als Junge nicht im selben Maße mit in die Wiege bekommen hat wie
ein Mädchen. Die männliche Muttermilch nährte in mir als
Mann die Fähigkeit zur Hingabe. In der Verreibung der weiblichen
Milch hingegen erlebten die Frauen der Gruppe einen starken Impuls,
sich gegen unpassende Entwicklungen beizeiten zu wehren. Hier ging es
also gerade darum, aus der Hingabe heraus zu kommen!
Das Spiel der Pole als etwas ganz Wesentliches in unserem
Menschendasein wurde von der Muttermilch noch auf eine zweite Weise
fokussiert. Seit dieser ersten Verreibung (ich habe danach die
Muttermilch über drei Jahre immer mal wieder genommen) entdeckte
ich, dass sich in mir eine Fähigkeit entwickelte, polare
Gefühle gleichzeitig wahrzunehmen und zu ertragen. Das ist etwas
völlig anderes, als Ambivalenz!
In der Ambivalenz sind wir
zwischen Gefühlen hin und her geworfen und wir wissen nicht,
welche Empfindung nun die "richtige" ist. Mit Lac humanum
entsteht die Fähigkeit, die Gleichzeitigkeit von zwei entgegengesetzten Gefühlspolen
anzunehmen, ohne sie werten zu müssen. Das gibt in den
entsprechenden Situationen ein Gefühl von "Ja, es ist wahr
– es tut sehr weh, was ich erlebe. Aber es ist zugleich auch
schön. Beides ist da."
Dabei entsteht so etwas wie ernste
Ruhe und tiefe Wahrhaftigkeit. Man ist dann in der Lage, die tiefere
Wahrheit der Dinge zu konfrontieren – auch wenn sie der
persönlichen Bedeutung widerspricht.
Gleichnishaft könnte man sagen, es gelingt mit der Muttermilch, die Polaritäten im Leben zu fühlen und zu ertragen und sie zugleich im Verständnis zu transzendentieren.