Kuriosa zu
Doch die Glut bleibt (1980)
Aufruf zur Revolution
Werden Verräter immer getötet?
Immer. Wenn heute nicht dann morgen. Immer.
In diesem Moment brandete völlig unerwartet ein tosender Applaus im Publikum los
und der Autor des Stückes wurde vor Verlegenheit rot. Das Publikum verstand
diesen Satz als klare Regimekritik: Werden Verräter immer getötet?
Ja immer!
. Doch so war er gar nicht gemeint.
Alles nur geborgt
Ein Schlagzeug gab es natürlich nicht im Ostseegymnasium. Es sollte aber
unbedingt eines dabei sein – schließlich wollten wir doch eine Rock-Oper
aufführen. Eine fremde Schule borgte uns eine Trommel, eine andere ein Tom.
Jemand brachte eine verbeulte Snare mit und schließlich wurden sogar zwei Becken
aufgetrieben. Zum Schluss glaubten wir selbst, wir hätten sowas wie ein
komplettes Schlagzeug.
Drummer
Es gab nicht nur kein Schlagzeug, sondern streng genommen auch keinen Schlagzeuger.
Beide Schlagzeuger hatten zuvor noch nie an den Drums gesessen, doch nach einem Jahr
Probe überraschten sie sogar mit einem Schlagzeugsolo. In der Krautrock-Zeit zum
Ende der 70-er war es nämlich üblich, an allen passenden und unpassenden
Stellen die Musik durch eingebaute Soli zu strecken. Mit solchen Tricks schaffte es
unser Komponist, ein gerade mal 14-zeiliges Gedicht zu einem 9-minütigen Opus
auszuwalzen (Was ist das Höchste
) .
Ungewöhnlicher Aufführungsort
Die Aufführungen liefen im Speisesaal des VEB Schiffselektronik Rostock, direkt
am Schutower Ring. Warum haben wir eigentlich diesen Ort genommen? Weil die eine
richtige Bühne hatten! In der DDR hatten tatsächlich viele Betriebe ein
eigenes Kulturhaus! Viele Betriebe besaßen auch eigene Theater-Gruppen.
Sie hörten sich nicht
Damit unsere Sängerinnen mit der Lautstärke der Instrumente mithalten
können, brauchten wir Mikrofone. Doch wir hatten keine. Der Inhaber des
Kulturhauses lieh uns seine teuren Mikrofone, doch sie mussten an eine im Saal fest
installierte Anlage angeschlossen werden. Die Lautsprecher waren für politische
Veranstaltungen gedacht und aus diesem Grunde irgendwo mitten im Saal installiert.
Dadurch konnten unsere Sängerinnen sich selbst nicht hören – eine
Situation, die Musiker fürchten. Auch auf den Aufnahmen ist daher der Gesang
etwas dumpf.
Backpfeifen
In einer Spielszene überbringt ein Bote eine schlechte Nachricht für
Cortés, worauf dieser einen Wutausbruch bekommt. Es war ausgemacht, dass der
Darsteller des Cortés eine Backpfeife andeuten sollte, die er dem Boten
erteilt. Niemand hatte damit gerechnet, dass er diese Backpfeife im Interesse einer
authentischen Wirkung während der Aufführung ganz real austeilen würde.
Das Publikum war jedoch von der Realität der Darstellung beeindruckt.
Brandblasen
Was tun, wenn man keine professionelle Beleuchtungsanlage zur Hand hat? Wir behalfen
uns mit einem Diaprojektor als Scheinwerfer und mit einem Satz farbiger Folien.
Doch um das richtige Licht zu erhalten, musste der Beleuchter eine Szene seitlich
anleuchten. Das ging nur, indem er den kochend heißen Diaprojektor in den
Händen hielt. Also sah man, wie er fluchend alle paar Sekunden das dampfende
Teil von einer Hand in die andere warf.
Unser Scheinwerfer, Typ Aspektar 100, Leistung 150 W
Klangzauber
Was tun, wenn kein Synthesizer im Land zu kaufen ist? Dann muss man eben aus einer
billigen Orgel für den Musikunterricht das Maximale herausholen!
Olaf und Olaf probierten über Wochen stundenlang an den Einstellungen der
Zugriegel rum, bis sie aus den wenigen Registern der Vermona-Orgel die exotischten
Klänge herausholten. Während der Aufführung 1980 konnte man dann
beobachten, wie unser Musiklehrer Herr Winkler unablässig den Hals reckte, weil
er nicht glauben konnte, dass die Klänge wirklich aus seiner billigen Orgel
stammten.
Das Geheimnis unserer Klangabstimmungen hielt der Organist auf dieser streng geheim gehaltenen Liste fest.
Man beachte die Abreibe-Buchstaben im oberen Teil der Liste! Kennt ihr etwa keine
Abreibe-Buchstaben? Drucker gabs damals noch nicht, und es sollte doch
schließlich alles
ordentlich aussehen. Also wurden vorfertigte Buchstaben auf das Papier gerubbelt!
Vermona ET3
Klangzauber 2
Im zweiten Jahr hatte der Organist eine uralte Orgel vom Typ TO-200/53 erstanden.
Dieses Ungetüm wog 40 kg! Da unser Komponist von Pink Floyd begeistert war,
hätte er natürlich lieber einen Synthesizer gehabt. Schwarzmarkt-Preis
20.000 Mark. Also plante er, die Orgel mit eigenen Baugruppen zu erweitern. Den Anfang
machte ein größeres Gehäuse, in das die Orgelteile lose hineingelegt
wurden. Weiter kam er nicht.
Die Orgel sah zwar nun für die Zuschauer ganz beeindruckend aus, doch beim
Transport konnte man uns fluchen hören. Das Ding war sperrig und die Innereien
flogen beim Tragen durcheinander. Daher gab es öfter mal beim Einschalten einen
Kurzschluss.
Unser Organist hatte sich darauf eingestellt. Er trug immer ein paar Ersatzsicherungen
bei sich.
Klangzauber 3
Selbst gebaut war auch der Verzerrer für die tschechische E-Gitarre Typ
Iris
.
Im Lied Zug um Zug
erzeugte ein selbst gebauter Rauschgenerator die
synthetische Meeresbrandung. Dann gab es noch den legendären Koli-wah,
den Thomas nach einer Bauanleitung in einer
Zeitschrift zusammengelötet hatte. In Ermangelung einer Leiterplatte hatte er
kreativ die Beinchen der Bauteile einfach durch ein Stück Pappe gebohrt und
auf der Rückseite verkabelt. Ging auch!
Zum Anhören:
Verzerrer | |
Rausch-Generator | |
Der Koli-wah |
Angstschweiß
In diesem abenteuerlichen Pult waren einige der Soundbasteleien verkabelt. Was die
Funktion der ganzen Buchsen und Schalter war, wusste nach einigen Monaten keiner mehr
so genau. Auch der Erbauer selbst war ratlos. Während der Aufführung wurde
schon mal vom Techniker der falsche Schalter betätigt –
Angstschweiß bei den Musikern!
Improvisieren
Weil der Gitarrist sich die Melodieführung seines Solos im Schiffsjungenlied
nicht merken
konnte, spielte er kurzerhand jedes Mal etwas anderes.
Unaussprechliches
Unsere Schwerter töten jeden Feind.
Sind Gäste in Raum, bleiben sie in der Scheide.
Blutsauger, Blutsauger, ... Blutsau!
Geigentöne
Im Jahre 2000 betrachtete man irritiert die isländischen Band Sigur Rós,
deren Gitarrist seine Gitarre mit einem Geigenbogen anstrich. Schon 20 Jahre zuvor
haben wir unseren Zuschauern das Selbe zugemutet. Weil die Mutter unseres Gitarristen
später beim Aufräumen den Geigenbogen zerbrach, mussten unsere Zuschauer im
Jahr 1981 auf dieses Special verzichten.
Plattencover
Für die Erstausgabe auf Schallplatte gab es schon einige Coverentwürfe: